Lobenhausen                                                                           Presse, 07.05.03

 
Ein Dorf postalisch abgehängt 

Als die Postleute da waren, scherzten wir noch, „der wird erneuert“, erzählt Kurt Gerstung. In dem 100-Seelen-Ort Lobenhausen blieb es freilich nicht unbemerkt, dass sich Mitarbeiter der Deutschen Post am Postkasten zu schaffen machten. 

Seine Frau, die neben anderen Anliegern das Geschehen verfolgte, dachte laut über eine andere Möglichkeit nach. „Oder sie bauen ihn ganz ab, meinte sie“, erinnert sich Gerstung. Ihrer Einschätzung schließlich stimmten die Postler zu.

„Das darf nicht wahr sein, der einzige Briefkasten im Ort wird abgebaut“, sagt Kurt Gerstung. Zumal er am selben Tag, als Lobenhausen seines einzigen Postkastens verlustig ging, im Radio hörte, dass in kleineren Orten nichts verändert wird.

Von 1000 Metern zum nächsten Postkasten könne in Lobenhausen nicht die Rede sein. Der nächste sei in Körle. laut Gerstungs Schätzung mindestens 1500 bis 1600 Meter entfernt. Dass Lobenhausen so behandelt werde, sieht Gerstung nicht ein. Umgehend wurde er bei der Post in Melsungen und bei Körles Bürgermeister Mario Gerhold vorstellig. Während er mit einer Service-Nummer, auf die ihn die Postmitarbeiter verwiesen, eine Ansage über die nächsten Briefkästen bekam („das hilft mir nicht weiter“), wurde das Gemeindeoberhaupt tätig. Der wandte sich mit einem Schreiben an die Deutsche Post AG, bezeichnete die Wortwahl „Briefkastenoptimierung“ für die Bürger als „Mogelpackung“ und kritisierte, dass Gemeinden vorher nicht informiert wurden.

„Die Bürger unserer Gemeinde erwarten, dass zumindest in jedem Ortsteil ein Briefkasten vorhanden ist“, schreibt er wörtlich. Dies mit dem Hinweis, dass der Gemeinde besonders der Ortsteil Lobenhausen am Herzen liegt, der nun überhaupt keinen Briefkasten mehr hat. Da der nächste Standort mehr als 1000 Meter entfernt liegt, fordert Gerhold, die „baldige Wiederaufstellung des Lobenhäuser Briefkastens“.

Der gebürtige Wagenfurther Gerstung scheut keine Mühe, sich für den Postkasten einzusetzen. Er denkt an die älteren Leute im Dorf, die kein Auto, keinen Führerschein haben oder nicht mehr so gut auf den Beinen sind. Für ihn ist Eile geboten. Denn ist der Haltepfosten einmal abgebaut, schätzt er, „geht nichts mehr“.

Die Vorgehensweise der Post kann er nicht nachvollziehen. Schließlich blieb dem Körler Ortsteil Wagenfurth, von der Einwohnerzahl vergleichbar mit Lobenhausen, der Postkasten erhalten. Ebenso in Empfershausen. Dort blieben die beiden gelben Kästen ebenfalls unangetastet. (HNA, 07.05.03, ALE) 


Deutsche Post: „Es gibt keine Lex Lobenhausen“ 

„Wir werden das nochmal prüfen“, erklärte Stefan Heß, zuständiger Pressesprecher der Deutschen Post AG mit Sitz in Frankfurt. „Wenn das so stimmt, wenn das über 1000 Meter sind, dann haben wir einen Fehler gemacht, den wir korrigieren werden“, betont er. 

Am gestrigen Dienstag wurde die Beschwerde anhand des Systems geprüft, eventuell wird ein Ortstermin anberaumt, so Heß. 

Zeigt sich, dass der Abstand zum nächsten Briefkasten mehr als ein Kilometer beträgt, „wird dort zeitnah wieder einer aufgehängt“.

Luftlinie sei der nächste Postkasten keine 1000 Meter entfernt. Eine mögliche Fehlerquelle sei die Überquerung der Fulda. Die muss überquert werden, um von Lobenhausen nach Körle zu kommen. Und die sei ein Stück weiter weg, nennt der Pressesprecher eine mögliche Fehlerquelle.

In zusammenhängenden Wohngebieten alle 1000 Meter ein Postkasten. Das ist die gesetzliche Vorgabe, die der Regulierungsrat für Post- und Telekommunikation in der Postuniversaldienstleistungsverordnung (PUDLV) festgelegt hat, erklärte Stefan Heß, einer der Pressestellenleiter der Deutschen Post AG mit Sitz in Frankfurt.

Ehe die Post in einer konzertierten Aktion von 7. bis 11. April bundesweit Postkästen abbaute, wurde jeder Postkasten ein Jahr lang gecheckt. Die Briefkastenleerer erfassten mittels eines Handscanners jeden Postkasten, Daten wie Verschmutzung, Vandalismus und Füllgrad wurden erfasst. Aus diesen aktuellen Daten wurden Tendenzen herausgelesen. Mittels eines satellitengestützten Geosystems wurden die Radien zwischen den Postkästen ausgemessen. So betrugen die Radien zwischen den Körler Postkästen vorher durchschnittlich 186 Meter, nach dem Abbau einiger Exemplare 231 Meter.

Ob viel oder wenig Briefe durch den Postkasten wandern, „die PUDLV gilt trotzdem“, sagt Heß. 

Es „gibt keine Lex Lobenhausen“, die gesetzliche Vorgabe gelte auch für den Körler Ortsteil. Vielerorts werde die Forderung sogar unterschritten: „Wir bieten Postkästen im Radius von 500 Metern an“, so Heß. (ALE)


Post folgtden Argumentender Lobenhäuser 

LOBENHAUSEN. Über die genaue Zahl, wie viele Postkästen abgebaut wurden, hüllt sich die Deutsche Post AG in Schweigen. Die Zahlen lägen dem Unternehmen natürlich vor, erklärte Post-Pressesprecher Stefan Heß, "die geben wir aber nicht raus". 


Eines aber verriet der Pressesprecher: Vor der Aktion, die von 7. bis 11. April bundesweit lief, waren es über 100 000 Postkästen, "und wir haben auch jetzt deutlich über 100 000". Die Zahl der Kästen, die bundesweit abgebaut wurden, bewege sich bundesweit im fünfstelligen Bereich.

Laut der gesetzlichen Vorschrift, der Postuniversaldienstleistungsverordnung (PUDLV) müssen Postkästen mit einem maximalen Abstand von 1000 Meter zu erreichen sein. "Das ist im Vergleich mit anderen Ländern komfortabel", sagt Heß. 

Trotz des Abbaus sei in Deutschland ein eng geknüpftes Briefkastennetz vorhanden. Mit einem durchschnittlichen Radius von 500 Metern liege die Deutsche Post 50 Prozent über der gesetzlichen Forderung, erklärte er. Täglich habe die Post deutschlandweit 72 Millionen Briefe zu befördern.

Für berechtigte Klagen von Anwohnern wie im Fall von Lobenhausen hat er Verständnis. "72 Millionen Briefe interessieren mich natürlich nicht, wenn mein Brief verspätet ankommt, weil kein Postkasten da ist. Die Position in Lobenhausen ist nachvollziehbar", sagte er. (ZAL) 

SCHWALM-EDER-KREIS  - Protest hat sich gelohnt 

LOBENHAUSEN. Die Lobenhäuser haben allen Grund zur Freude. Einen Tag, nachdem in der HNA ein Bericht darüber stand, dass sich die Bewohner des Körler Ortsteils gegen den Abbau ihres einzigen Postkastens wehren wollen, hängt der Postkasten seit gestern Morgen wieder an Ort und Stelle. Zwischen 8 und 8.30 Uhr wurde der gelbe Kasten wieder an seinem Ständer "Am Freitagsbach" befestigt, erzählte Kurt Gerstungs Ehefrau am Donnerstagvormittag − ein neues, blitzsauberes Exemplar sogar.. 

"Wir haben einen Fehler gemacht, das müssen wir korrigieren", sagt Stefan Heß, einer der Pressesprecher der Deutschen Post AG mit Sitz in Frankfurt. Die Beschwerden der Lobenhäuser, die auch Körles Bürgermeister Mario Gerhold mit einem Schreiben an die Post unterstützt hatte, hatte die HNA an die zuständige Pressestelle weiter geleitet, die die Beschwerde umgehend prüfte.

Nach Angaben des Lobenhäusers Kurt Gerstung war der einzige Postkasten abgeschraubt worden, obwohl der nächste in Körle mehr als 1000 Meter entfernt ist.

Nach dem System, mit dem die Abstände geprüft werden, seien die Richtlinien nach der PUDLV erfüllt, sagt Heß, räumt aber gleichzeitig ein, dass es sich hier um eine "grenzwertige Geschichte" handele.

Luftlinie seien es ihren Messergebnissen zufolge 707 Meter zum nächten Postkasten, "aber die Luftlinie nützt wenig", gab der Pressesprecher zu. Da die Fulda zu überqueren ist, die Brücke ein Stück weit von Lobenhausen entfernt sei, ergebe sich, dass der Abstand über 1000 Meter betrage.

Dass der Postkasten gleich gestern wieder aufgebaut wurde, überraschte sogar Heß. "Das hätte ich jetzt nicht versprechen können, dass das heute oder morgen schon passiert", freute er sich. "Umso besser." Grundsätzlich werden Beschwerden ernst genommen, so Heß. "Können wir den Argumenten folgen, lassen wir mit uns reden", sagt er. 

Kurt Gerstung stand die Freude ins Gesicht geschrieben, als er am Vormittag in der HNA-Redaktion vom "heimgekehrten" Postkasten berichtete. "Da hatte ich drauf gehofft", sagte er. An die Post und die Gemeinde hatte er sich gewandt, auch die Tageszeitung eingeschaltet. Die meisten Lobenhäuser hatten sich schon damit abgefunden, umso größer die Freude, als der Kasten am Donnerstag wieder aufgehängt wurde − auch bei den Schützen. Die schicken nämlich ihre Ergebnisse nach den Schießterminen umgehend zu den Sammelstellen. Dafür haben sie im Schützenhaus sogar Briefmarken deponiert, damit die Ergebnisse noch am selben Abend auf den Postweg gehen können. (HNA, 09.05.03 ZAL)

Stand: 25.05.03 23:29, (c) www.koerle.net 

 

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