Wagenfurth                                                                              Presse, 14.06.03


Erst aufs Feld, abends Papierkram 

Karl Freitag kennt sein Dorf wie kaum ein anderer. Er war der letzte Bürgermeister des einst eigenständigen Örtchens Wagenfurth, ehe es mit der Gebietsreform 1971 ein Ortsteil der Gemeinde Körle wurde. Mit seinen 80 Jahren ist er heute der älteste Bürger im Ort. 

1950 kam der gebürtige Dissener nach Wagenfurth, heiratete in die Landwirtschaft seiner Frau Maria, einer geborenen Hardung, ein. Nur zwei Jahre später wurde der Landwirt in die Gemeindevertretung gewählt, der damals fünf Leute angehörten. Ab 1957 war er 1. Beigeordneter Wagenfurths, 1968 schließlich wurde Karl Freitag zum Bürgermeister gewählt.

Damals, erzählt er, musste der Bürgermeister das Büro noch selbst stellen. Der Verdienst war nicht hoch, vielmehr bekam man damals eine „geringe Aufwandsentschädigung“. Wo sollte es auch herkommen? Einen einzigen Betrieb gab’s damals in Wagenfurth, eine Zimmerei. „Wir kleine Gemeinde konnten finanziell nicht mehr bestehen“, erzählt Freitag. 

Fürs Bürgermeisteramt blieb dem parteilosen Mann meist nur abends Zeit. Zeit nahm er sich auch für andere Ehrenämter. 40 Jahre arbeitete er ehrenamtlich als Schöffe am Ortsgericht in Körle. 31 Jahre lang war er im Aufsichtsrat der Raiffeisenbank aktiv. 20 Minuten lief er damals zu Fuß nach Körle, erinnert sich der groß gewachsene Mann, und abends wieder zurück. Dann kümmerte er sich um den Schriftverkehr und Sitzungen, die das Bürgermeisteramt mit sich bringt. 

„Ich hab vieles erlebt und viel mitgemacht“, fasst er 50 Jahre Vergangenheit zusammen. Als er Anfang der 50er- Jahre herkam, wurde kanalisiert und die Dorfstraße auf Vordermann gebracht. Drei Mitarbeiter des Körler Unternehmens Kilian waren mit dem Kanalbau beschäftigt, daneben waren arbeitslose Bürger zum Arbeiten eingesetzt. „Wir Landwirte haben mit Pferdefuhrwerken die Erde weg gefahren“. Als er 1952 in die Gemeindevertretung gewählt wurde, stand die Frage im Raum, was mit der Wagenfurther Kirche werden soll. Zur Debatte standen Abriss, Umbau oder eine Versetzung des Kirchleins an den Friedhof. „Wir haben uns für einen Umbau entschieden“, erinnert er sich, „dank dem damaligen Pfarrer Steckert“. 

Zeit für Ehrenämter müsse man einkalkulieren. „Ich hab es immer gerne gemacht, wenn auch nicht viel zu verdienen war“, erzählt Karl Freitag. Mit Bedauern sieht er heute den „Unwillen, Ehrenämter anzunehmen“. Das war früher anders, Hand- und Spanndienste haben sie damals geleistet. Üblicherweise öffneten die Landwirte jedes Jahr die Gräben, und auch der Wegebau erfolgte in Eigenleistung. 

Nach mehr als 50 Jahren bezeichnet sich Karl Freitag als Wagenfurther, „trotzdem ich meinen Geburtsort liebe und schätze“. (HNA, 14.06.03 ZAL)

Stand: 15.06.03 19:36, (c) www.koerle.net 

 

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