Wagenfurth                                                                              Presse, 14.06.03


Wagenfurth, die Schmalzgrube 

„Anfangs ist nichts da. Schließlich wird man fündig, und dann sucht man weiter“, berichtet der Körler Heinz Rüdiger über seine Arbeit als Chronist. In mühevoller Kleinarbeit hat der pensionierte Lehrer Lesens- und Wissenswertes über den Körler Ortsteil Wagenfurth zusammengetragen.   Nicht nur fleißige Recherchen sind Grundlagen seiner Chronik, die ab dem morgigen Samstag, 14. Juni, bei der Jubiläumsfeier in Wagenfurth verkauft wird, auch Zufälle kamen ihm dabei zuhilfe.

„Wagenfurth war eine wohlhabende Gemeinde“, fasst er zusammen. Zumeist waren es Bauern, die dort wohnten. Nicht zuletzt deshalb galt Wagenfurth bei den umliegenden Dörfern als „die Schmalzgrube“. Und Schmalzfett stand damals hoch im Ansehen. Das tägliche Leben war dennoch hart. Rüdiger erzählt von dem Inventar eines Bauernhofs, der einer der wohlhabenden war und kommt zu dem Schluss: „Es war ein einfaches und sehr bescheidenes Leben“.

Seinem Kollegen Karl Suck, dem früheren Hauptlehrer in Körle, übergab einst die Wagenfurther Familie Martin ein Papier aus dem Jahre 1857. Einsehen sollte er die Gemeinderechnung, und dann entsorgen. Statt im Müll gelangte es dann aber in die Hände von Heinz Rüdiger. Er rettete das vergilbte, teils zerschlissene alte Heftchen. Aus den Zahlen und den Erklärungen gelang es dem Geschichtsforscher, ein Bild über das Dorf zu zeichnen und wie es sich dort vor fast 150 Jahren lebte.

Heinrich Hühner, so steht`s in der Gemeinderechnung nachzulesen, zahlte im Jahr 1857 15 Silbergroschen für den Totenhof. „Damals war das Futter so knapp, nicht den Totenhof hatte er gemietet, sondern das Gras, das auf den freien Flächen wuchs“, erklärt Rüdiger. 

Für verkauftes Bau- und Werkholz sowie Loh klingelten 96 Taler und acht Silbergroschen in der Gemeindekasse. Zum Vergleich: Die Gesamteinnahmen des Jahres beliefen sich damals auf 163 Taler, 29 Silbergroschen und drei Heller. Das Loh, darauf deuten heute noch Flurbezeichnungen, ist die Rinde von jungen Eichenstämmen, die zum Ledergerben gebraucht wurde.

Für das Brennen von Branntwein wurde ein sogenannte Hülfssteuer erhoben, erklärte Rüdiger. 16 Euro Branntweinsteuer machten damals fast die Hälfte der Grund- und Gewerbesteuer aus, die insgesamt mit 27 Taler, zwölf Silbergroschen und vier Hellern notiert ist.

„Das sind interessante Vergleiche“, schmunzelt Rüdiger.

Die Arbeit ist für ihn mehr als Chronistenpflicht. „Goethe sagte einmal: Wer seine Heimat nicht kennt, hat keinen Maßstab für die Fremde“, sagt Rüdiger. 

Sein Anliegen ist es, den Menschen Anregungen zu geben, „selbst weiterzuforschen und den Dingen nachzugehen“. (HNA, 14.06.03 ZAL)

Stand: 22.06.03 15:16, (c) www.koerle.net