Körle                                                                                          Presse, 18.08.03


Neuer Anschluss im Funkloch 

Es ist schon lange her, dass Mario Gerhold mal in einer Zelle war. So lange, dass sich der Bürgermeister von Körle an sein bislang letztes in einer Telefonzelle geführtes Gespräch nicht mehr erinnern kann. Dennoch weiß er, dass der magenta-silberne Kasten in seiner Gemeinde auch im Handy-Zeitalter noch genutzt wird. „Ab und zu sieht man dort einige Körler telefonieren. Vielleicht reden die heimlich mit ihrer Freundin“, sagt der Verwaltungschef. 

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Sollte Gerhold mit seiner Vermutung richtig liegen, könnten die heimlich Verliebten bald nur noch flüstern. In Körle und an fünf weiteren Standorten im Kreisteil Melsungen wird die Telekom die herkömmlichen Telefonzellen bald durch so genannte Basistelefone ersetzen. Die haben nur noch ein kleines Wetterdach und bieten keinen Schutz vor neugierigen Passanten, heftigem Regen und Lärm.

Auch sonst wird das Telefon-Vergnügen eingeschränkt: Mit Münzen oder herkömmlichen Telefonkarten kommt man in den Basistelefonen nicht weit. Einziges Zahlungsmittel sind so genannte Calling-Cards (siehe Hintergrund). Allerdings kann man ohne Karte Notrufnummern wählen und Gespräche führen, bei denen der Angerufene die Kosten übernimmt. Diese R-Gespräche sind für die Kunden der einzige echte Vorteil.

Dagegen wird der Nutzen für die Telekom immens sein. Für eine herkömmliche Telefonzelle liegen die monatlichen Betriebskosten bei 300 Euro. Bei den Basistelefonen, die kaum mehr Wartung benötigen, wird es nur ein Bruchteil sein. 15 000 Zellen will das Unternehmen ab diesem Monat umrüsten. Die unwirtschaftlichsten kommen zuerst dran. Manche liegen allerdings in Funklöchern: In Kehrenbach und Kirchhof, wo kein Handy funktioniert, gibt es bald nur noch die Basistelefone. Für Melsungens Bürgermeister Karl-Heinz-Dietzel ist dies „keine glückliche Entscheidung“. Erst vor eineinhalb Jahren hatte die Stadt bei der Telekom einen Funkmasten für die beiden Gemeinden am Kehrenbach beantragt. Die Telekom lehnte dies aus Kostengründen ab. 

„Wir müssen kaufmännisch handeln. Kaum jemand braucht die Dinger“, erklärt Telekom-Pressesprecher Walter Genz die Vorgehensweise seiner Firma, die schon vor Monaten den Kontakt mit den Kommunen suchte. Ergebnis: In Körle wird das neue Basistelefon nach einem Vorschlag der Gemeinde wahrscheinlich nicht mehr am alten Standort, sondern vor dem Rewe-Markt stehen, wo es mehr Publikum und Parkplätze gibt. Schlechte Zeiten für Telefonierer mit Geheimnissen. 

Körle: Nürnberger Straße. (HNA, 18.08.03)

Stand: 25.08.03 23:45, (c) www.koerle.net