ZDF: 14.10.03 - 22:15
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Grad: Kollegenschweine
Mobbing:
Neuer Begriff für ein altes Übel
Anmerkungen
des Autors
Das Wort Mobbing kommt vom englischen Verb "to mob". Das
bedeutet soviel wie anpöbeln, angreifen, schikanieren. Laut
Bundesarbeitsgericht bedeutet Mobbing: das systematische Anfeinden,
Schikanieren und Diskriminieren von Arbeitnehmern untereinander oder
durch Vorgesetzte.
Schikanen
und Benachteiligungen am Arbeitsplatz hat es schon immer gegeben.
Mobbing ist also ein neuer Begriff für ein altes Übel. Das Neue am
alten Übel ist, dass es bedrohliche Dimensionen angenommen hat. Über
1,6 Millionen Menschen werden in Deutschland am Arbeitsplatz
terrorisiert, wie aktuelle Zahlen belegen. Der volkswirtschaftliche
Schaden beläuft sich laut Deutschem Gewerkschaftsbund auf bis zu 25
Milliarden Euro jährlich.
Die
Ursachen für Mobbing sind vielfältig. Der erzeugte Druck durch die
Globalisierung der Märkte, Shareholder-Value und Arbeitslosenquoten
begünstigen ein Klima, in dem Mobbing gedeihen kann. In Zeiten
schwacher Konjunktur und Massenentlassungen wo jeder um seine
Existenz bangt, nimmt die soziale Kälte unter Kollegen zu. Jeder kämpft
für sich allein und gegen die anderen. Respekt, Solidarität und
Zivilcourage bleiben auf der Strecke.
Angst
vor der Öffentlichkeit
Warum sollten Menschen, die
Mobbingopfer geworden sind, bereit sein, sich mit ihrer
Leidensgeschichte auch noch einer breiten Öffentlichkeit zu präsentieren
und zu allem Überfluss riskieren, weitere Ausgrenzung und Ärger
mit Kollegen oder Vorgesetzten auf sich zu nehmen? Das war meine
erste Überlegung während der Recherche. Schon ahnend, dass die
Protagonisten mir mit der gleichen Frage gleich zu Beginn eines
jeden Gesprächs auflauern würden, begann ich damit, die
Telefonrechnung in die Höhe zu treiben. Kurz: Ich weiß nicht, wie
viel hundert Telefonate und persönliche Kontakte nötig waren, um
Betroffene für mein Filmvorhaben zu gewinnen.
Dass
mir die Gesprächspartner ausgehen könnten, war meine Sorge nicht,
denn jeder der Betroffenen kannte mindestens ein weiteres Opfer. Als
sich schließlich Mobbingopfer bereit erklärten, im Fernsehen über
ihre Geschichte zu berichten, wollten sie dies jedoch nur anonym.
Ich stand also wieder am Anfang, oder besser: Ich war fast am Ende,
als ich wieder von vorne begann. Denn das Thema Mobbing als anonyme
Fallbeschreibungen abzuhandeln, wäre angesichts der menschlichen
Tragödien, die sich oft dahinter verbergen, verschenkt und für
Macher und Zuschauer gleichmaßen unbefriedigend. Nach vielen
weiteren und bedrückenden Gesprächen war es dann soweit: der erste
Drehtag - der letzte war ein halbes Jahr später.
Keine
Frage der Schuld
Mobbing juristisch nachzuweisen ist
nahezu aussichtslos. Infolgedessen kann es der Film weder leisten,
die Schuldfrage zu klären, noch ist es intendiert. Entscheidend für
mich war miterlebbar zu machen, was in Menschen vorgeht und wohin
sie getrieben werden, wenn sie zum Mobbingopfer geworden sind - egal
ob mitschuldig oder nicht.
Ohne
das Engagement und die Offenheit der Protagonisten ist solch ein
Thema nicht umsetzbar. Und ich kann, trotz intensiver
Auseinandersetzung mit der Problematik, nur annähernd ermessen, wie
viel Kraft, vielleicht auch Verzweiflung sich dahinter verbergen
mag, den Schritt in die Öffentlichkeit zu wagen - auch auf die
Gefahr hin, von Freunden, Bekannten und Kollegen missverstanden zu
werden. Aber ohne die Bereitschaft der Betroffenen lässt sich keine
Öffentlichkeit herstellen und ohne Herstellung von Öffentlichkeit
bliebe Mobbing im Privaten verborgen.
Ich
möchte mich bei meinen Protagonisten ausdrücklich für das
entgegengebrachte Vertrauen bedanken.
Stand: 14.10.03 21:47, (c) ZDF www.koerle.net
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