Körle                                                                                                TV, 13.10.03


ZDF: 14.10.03 - 22:15 

37 Grad: Kollegenschweine

Mobbing: Neuer Begriff für ein altes Übel

Anmerkungen des Autors

Das Wort Mobbing kommt vom englischen Verb "to mob". Das bedeutet soviel wie anpöbeln, angreifen, schikanieren. Laut Bundesarbeitsgericht bedeutet Mobbing: das systematische Anfeinden, Schikanieren und Diskriminieren von Arbeitnehmern untereinander oder durch Vorgesetzte.

Schikanen und Benachteiligungen am Arbeitsplatz hat es schon immer gegeben. Mobbing ist also ein neuer Begriff für ein altes Übel. Das Neue am alten Übel ist, dass es bedrohliche Dimensionen angenommen hat. Über 1,6 Millionen Menschen werden in Deutschland am Arbeitsplatz terrorisiert, wie aktuelle Zahlen belegen. Der volkswirtschaftliche Schaden beläuft sich laut Deutschem Gewerkschaftsbund auf bis zu 25 Milliarden Euro jährlich.

Die Ursachen für Mobbing sind vielfältig. Der erzeugte Druck durch die Globalisierung der Märkte, Shareholder-Value und Arbeitslosenquoten begünstigen ein Klima, in dem Mobbing gedeihen kann. In Zeiten schwacher Konjunktur und Massenentlassungen wo jeder um seine Existenz bangt, nimmt die soziale Kälte unter Kollegen zu. Jeder kämpft für sich allein und gegen die anderen. Respekt, Solidarität und Zivilcourage bleiben auf der Strecke.

Angst vor der Öffentlichkeit
     Warum sollten Menschen, die Mobbingopfer geworden sind, bereit sein, sich mit ihrer Leidensgeschichte auch noch einer breiten Öffentlichkeit zu präsentieren und zu allem Überfluss riskieren, weitere Ausgrenzung und Ärger mit Kollegen oder Vorgesetzten auf sich zu nehmen? Das war meine erste Überlegung während der Recherche. Schon ahnend, dass die Protagonisten mir mit der gleichen Frage gleich zu Beginn eines jeden Gesprächs auflauern würden, begann ich damit, die Telefonrechnung in die Höhe zu treiben. Kurz: Ich weiß nicht, wie viel hundert Telefonate und persönliche Kontakte nötig waren, um Betroffene für mein Filmvorhaben zu gewinnen.

Dass mir die Gesprächspartner ausgehen könnten, war meine Sorge nicht, denn jeder der Betroffenen kannte mindestens ein weiteres Opfer. Als sich schließlich Mobbingopfer bereit erklärten, im Fernsehen über ihre Geschichte zu berichten, wollten sie dies jedoch nur anonym. Ich stand also wieder am Anfang, oder besser: Ich war fast am Ende, als ich wieder von vorne begann. Denn das Thema Mobbing als anonyme Fallbeschreibungen abzuhandeln, wäre angesichts der menschlichen Tragödien, die sich oft dahinter verbergen, verschenkt und für Macher und Zuschauer gleichmaßen unbefriedigend. Nach vielen weiteren und bedrückenden Gesprächen war es dann soweit: der erste Drehtag - der letzte war ein halbes Jahr später.

Keine Frage der Schuld
     Mobbing juristisch nachzuweisen ist nahezu aussichtslos. Infolgedessen kann es der Film weder leisten, die Schuldfrage zu klären, noch ist es intendiert. Entscheidend für mich war miterlebbar zu machen, was in Menschen vorgeht und wohin sie getrieben werden, wenn sie zum Mobbingopfer geworden sind - egal ob mitschuldig oder nicht.

Ohne das Engagement und die Offenheit der Protagonisten ist solch ein Thema nicht umsetzbar. Und ich kann, trotz intensiver Auseinandersetzung mit der Problematik, nur annähernd ermessen, wie viel Kraft, vielleicht auch Verzweiflung sich dahinter verbergen mag, den Schritt in die Öffentlichkeit zu wagen - auch auf die Gefahr hin, von Freunden, Bekannten und Kollegen missverstanden zu werden. Aber ohne die Bereitschaft der Betroffenen lässt sich keine Öffentlichkeit herstellen und ohne Herstellung von Öffentlichkeit bliebe Mobbing im Privaten verborgen.

Ich möchte mich bei meinen Protagonisten ausdrücklich für das entgegengebrachte Vertrauen bedanken.

Stand: 14.10.03 21:47, (c) ZDF www.koerle.net