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Aus alter Zeit

Erste Spuren der Besiedlung

Das heutige Dorf Wagenfurth ist gemessen an den alten Dörfern des Chattengaus, relativ jung. Die Gemarkung liegt jedoch in einem uralten Siedlungsgebiet. Wenn auch die historische Wahrheit oft nur schwer zu ergründen ist, geben viele Spuren in unserer Landschaft Hinweise auf das Leben der Menschen in grauer Vorzeit. Es sind nicht nur zufällige Funde von Werkzeugen aus der Steinzeit, die vielleicht von Jägern bei ihren Streifzügen verloren wurden. Es gibt auch Hinweise auf eine frühe Besiedlung.

Im Quillerwald hat man bisher mehr als 60 Grabhügel entdeckt. Zwischen Wagenfurth und Altenbrunslar stieß man beim Bau der ehemaligen Reichsautobahn auf ein größeres Gräberfeld, einige der etwa 32 Gräber hat man freigelegt. Die ältesten in den Grabhügeln gefundenen Urnen stammen nach vorsichtiger Schätzung aus der Bronzezeit, zumindest aus der älteren Eisenzeit. Die Gräber sind also vor etwa 3.000 Jahren angelegt worden.

Siedlungsspuren im Bereich von Grebenau lassen darauf schließen, dass ebenfalls in der Bronzezeit Menschen sich hier angesiedelt haben. Die Fuldaschleife diente als natürlicher Schutzgürtel. Dort wo die Siedlung nicht vom Wasser der Fulda umgeben war, legten die Bewohner ein „Verhau“, eine Art Schutzwall, zur Abwehr der Feinde an. Bei Probegrabungen im Bereich Opferberg konnte Lehrer Haarberg um 1950 Fundamente einer Steinmauer entdecken. Eventuell wurde das Gebiet durch einen Graben und eine undurchdringliche Dornenhecke zusätzlich gesichert. Heute erinnert an diesen Schutzwall oder Schutzzaun noch die Gemarkungsbezeichnung „das Verhoche“ (das Verhau). Es liegen jedoch keine eindeutigen Erkenntnisse vor, in welche Zeit dieser Schutzwall datiert werden kann. Als weitere Anzeichen einer frühen Besiedlung können die Gemarkungsbezeichnungen „Opferberg-“ und „Opferplatz“ gewertet werden. Der Opferberg liegt bekanntlich zwischen Wagenfurth und Grebenau und unweit davon, in der Wagenfurther Gemarkung, finden wir den Opferplatz. Solche Gemarkungsnamen weisen darauf hin, dass es sich um alte Kultstätten handelt. In der Nähe des Opferplatzes konnte man früher auch einen Grabhügel aus der Hallstadtzeit finden. Dieser ist inzwischen durch Überpflügen völlig eingeebnet.

Die Ersterwähnung

Für die meisten Orte unserer Umgebung ist nicht bekannt, wann sie ehedem gegründet worden sind. Als Jahreszeit für die „Ortsjubiläen“ nimmt man daher das Datum der ersten Erwähnung in alten Urkunden. Die Jahreszahl und die Urkunde müssen vom Staatsarchiv in Marburg anerkannt sein. Es hängt also vom Zufall ab, ob alte Schriftstücke, die zum Beispiel über Schenkungen an Klöster oder von Belehnungen berichten, erhalten geblieben sind, und ob man diese entsprechend ausgewertet hat. Sicherlich ist dies eine unbefriedigende Lösung, aber eine bessere gibt es nicht. Unter Historikern allgemein anerkannt ist die Meinung, dass der Ortsname einen Hinweis auf das Alter einer Ortschaft geben kann. Danach stammen die „Furt“-Orte alle aus der gleichen Siedlungszeit. Die meisten Fulda – Furtorte liegen im Altkreis Melsungen. Es sind Beiseförth, Binsförth, Schwerzelfurth (Wüstung bei der Domäne Fahre), Röhrenfurth und Wagenfurth. Die Ersterwähnung von Röhrenfurth erfolgte in einer Urkunde aus dem Jahre 1182.

Die früheste urkundliche Erwähnung Wagenfurths findet man in einem Schreiben vom 4. April 1303. Diese Urkunde befindet sich im Besitz derer von Riedesel, Freiherrn zu Eisenbach. Sie kann also im Archiv des Schlosses Eisenbach bei Lauterbach im Vogelsberg eingesehen werden. In diesem Schriftstück sichert der hessische Landgraf Heinrich II. dem Johann Riedesel Einkünfte aus verschiedenen Dörfern des landgräflichen Herrschaftsgebietes zu. Unter anderem musste das Dorf „Wanforte“ dem Johann Riedesel jährlich eine Steuer von „einer Mark Silbers“ zahlen. Der Zufall will es, dass ein weiterer Körler Ortsteil, nämlich „Engelbrechteshusen“ (Empfershausen) in der selben Urkunde erstmals erwähnt wird. So begehen Empfershausen und Wagenfurth gleichzeitig ihre „700 Jahrfeier“ obwohl mit Gewissheit gesagt werden kann, dass die ersten Ansiedlungen dieser beiden Dörfer keinesfalls zur gleichen Zeit erfolgten.

In diesem Zusammenhang sollte man erwähnen, dass das Geschlecht derer von Riedesel um 1300 in Melsungen seinen Sitz hatte. Der Ritter Johann von Riedesel war zur Zeit ein sogenannter Burgmann in der Stadt Melsungen und stand in den Diensten des hessischen Landgrafen. Einer seiner Nachfahren, der Ritter Herman Riedesel heiratete die Tochter Eckhardts von Röhrenfurth, und weil die Röhrenfurther Ritter ohne männliche Nachfolge waren, fiel nicht nur ein großes Erbe an ihn, sondern auch das Amt eines Erbmarschalls am landgräflichen Hofe in Kassel. Wiederum durch Erbe gelangte Herrmann Riedesel 1429 in den Besitz des Schlosses Eisenbach bei Lauterbach. Seit dieser Zeit ist dieses Schloss Stammsitz derer von Riedesel zu Eisenbach. Weil die Riedesel in den Dörfern unserer Gegend beträchtliche Besitzungen und Rechte hatten, richteten sie in Melsungen eine Vogtei ein. Diese existierte bis etwa 1790. Das Gebäude stand im „Vorderen Eisfeld“ am Rande des heutigen Schlossgartens. Es fiel leider beim Angriff der amerikanischen Truppen auf Melsungen im Frühjahr 1945 einem Feuer zum Opfer.

Wenig Veränderung über die Jahrhunderte

Wagenfurth zeichnet sich im Laufe der Geschichte durch eine bemerkenswerte Beständigkeit aus; über mehrere Jahrhunderte hat es im Wagenfurther Ortsbild kaum Veränderungen gegeben. Das trifft auch auf den Ortsnamen zu. Ich möchte hier nicht unterschlagen, dass in älteren Urkunden ein Ort mit Namen „Begefurte“ genannt wird, den einige Historiker in Verbindung mit Wagenfurth bringen möchten. Das entspricht jedoch nicht der offiziellen Auffassung. Danach war der erste Name des Dorfes „Wanforte“.

Körle nannte sich bei der Ersterwähnung im Jahre 1074 noch Chrulle, und Empfershausen hieß – wie schon gesagt – Engelbrechteshusen. Aus Wanforte wurde 1486 Waynfurt. So steht es in einer Urkunde des Klosters Karthause. Dieses Kloster wurde 1223 als Nonnenkloster gründet und trug anfangs den Namen Eppenberg. Im Jahre 1438 wurde es aufgehoben, weil die Nonnen damals ein unchristliches Leben geführt haben sollen. Seit 1440 wurde es dann von Karthäuser Mönchen weitergeführt. Weil dieses Kloster in der Umgebung zahlreiche Besitzungen hatte, begegnet uns bei Nachforschungen über die Geschichte unserer Heimat der Name häufig. Nach der Reformation wurde das Kloster aufgehoben. Über lange Zeit diente es als Vorwerk der Domäne Mittelhof. Die Ruinen finden wir noch heute unterhalb des Heiligenbergs bei Gensungen.

Um 1570 lesen wir in landgräflichen Akten sowohl den Dorfnamen Wagenfort als auch Wainforth. Erstaunlich ist auch die Beständigkeit in der Größe des Dorfes. Nach dem Salbuch des Amtes Melsungen aus dem Jahre 1575 standen um diese Zeit 12 Bauernhöfe im Dorf. Im Jahre 1743 zählte man 8 Bauernhöfe, und weitere 9 Wohnhäuser in denen Kleinbauern, Handwerker und Tagelöhner wohnten, sowie ein Hirtenhaus; insgesamt also 18 Häuser. 1858 berichtet Bürgermeister Griesel von 17 Wohnhäusern. Rechnet man die Häuser im Wochenendgebiet nicht mit, gab es um 1950 die gleiche Anzahl , d.h. 17 Wohnhäuser. Das Dorf hat demnach über Jahrhunderte hinweg in der Größe kaum eine Veränderung erfahren.

Was das Salbuch von 1575 berichtet

Im Jahre 1575 wurde in der Renterei des Amtes Melsungen ein sogenanntes Salbuch angefertigt. Diese handschriftliche Urkunde enthält von jedem Dorf im Amt eine kurze Aufstellung aller Abgaben und Pflichten. Vom „Wainforth“ erfahren wir, dass das Dorf „mit aller Hoheit, Herrlichkeit und Gerechtigkeit dem Allergnädigsten Fürst und Herren“ (gemeint ist der Landgraf in Kassel) Untertan war. Die Einwohner haben die gleichen Verpflichtungen „wie andere Untertanen im Amt.“ Für die Kirche ist der Pfarrer in Grebenau zuständig. Zahlreiche Abgaben und Verpflichtungen belasten die Einwohner. Zu Walpurgis und Michaelis mussten jeweils 3 Gulden und 6 ½ Albus zu „Geschoß“ (allgemeine Steuer) gegeben werden. Weiter heißt es „Und müssen uff Michaelis denen Adelhäusern in ihr Geschoss 7 ½ Albus zu Steuer geben“. Weitere Beispiele für die damalige Steuern sind das „Kühegeld“, das „Weinfuhrgeld“, die „Türkensteuer“. Diese Türkensteuer war eine Vermögensabgabe, die den Abwehrkampf gegen die Türken finanzieren sollte. Obwohl der Türkenkrieg beendet war, blieb die Steuer bestehen. Weiterhin wird verordnet, dass in einem Kriegsfall die Wagenfurther Männer „mit ziehen und folgen“ müssen.

Besonders hart war das „Besthaupt“. Diese Besthauptsteuer musste von den Ehefrauen oder Erben entrichtet werden, wenn ein Hausbesitzer gestorben war. Anfangs musste das beste Stück Vieh im Stall gegeben werden. Um 1575 war es jedoch eine Geldabgabe. Eine weitere Abgabe war das „Rauchhuhn“. Jährlich wurde von jedem Wohnhaus, (nur die hatten damals einen Schornstein, aus dem Rauch aufstieg,) ein Rauchhuhn gefordert. Im Salbuch sind für Wagenfurth 12 Hühner verzeichnet, demnach hatte der Ort im Jahr 1575 zwölf Wohnhäusern. Rechnet man für jedes Haus mindestens 6 Bewohner, so hatte Wagenfurth zu der Zeit 72 Einwohner, es dürften eher mehr gewesen sein.

Berichtet wird auch von der „Schefferey und Schafftrifft“ also von der Herrschaftlichen Schäferei über die an anderen Stelle dieser Festsschrift mehr gesagt wird.

Folgende Namen Wagenfurther Einwohner werden genannt: Harbusch, auch Harbosch, Steinbach, Alberts, Heinckell, Mumbergk, Reuß.

Stand: 22.06.03 15:45, (c) www.koerle.net 

 

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