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Ein
Heidenspaß
An
Männerstammtischen wird nicht nur politisiert. Oft und gern werden
auch Geschichten von früher erzählt. Bei einer solchen Gelegenheit
hörte ich vor längerer Zeit von einer Tätigkeit, die uns heute völlig
unbekannt ist. Es handelt sich um das Schafewaschen.
In
den vergangenen Jahrhunderten wurde die Schafwolle direkt im Dorf
verarbeitet. Bevor die Schafe im Frühsommer geschoren worden,
sollten sie vom groben Schmutz gesäubert werden. Zu diesem Zweck
trieb man die Tiere in die Fulda; natürlich nicht die ganze Herde,
sondern jedes Tier einzeln. Die Reinigung war gewöhnlich die
Aufgabe der jungen Knechte und Mägde.
Nun
geht das Schaf von Natur aus nicht gerade gern ins Wasser. Es
bedurfte schon einer gewissen Geschicklichkeit, die Tiere in den
Fluss zu bringen. Grobe Gewalt konnte man nicht anwenden. Zwar nahm
man es damals oft mit dem Tierschutz nicht so genau. Man musste aber
bei dieser Tätigkeit darauf achten, dass die Wolle nicht unnötig
beschädigt wurde. Es fällt uns heute nicht leicht, sich das Bild
von dem Ereignis vorzustellen. Etwa in Höhe der Furt lagert die
Schafherde. Das Wasser ist hier relativ flach. Die Knechte haben die
Hosenbeine hochgekrempelt, die jungen Frauen die Röcke geschürzt.
Für die damalige Zeit etwas ganz Ungewöhnliches, denn nacktes Bein
zu zeigen, war etwas sehr Unschickliches und eben nur in solchen
Situationen geduldet. Die jungen Leute haben Mühe, die bockigen
Tiere festzuhalten. Die Steine in der Furt sind glatt und rutschig.
Leise geht es bei dem Schafewaschen nicht zu, besonders wenn wieder
einmal jemand auf dem glitschigen Untergrund ausgerutscht ist und
mit voller Kleidung im Wasser sitzt. Es ist ein Heidenspaß, aber
nicht so sehr für die Akteure sondern für die Zuschauer, die sich
am Ufer eingefunden haben und mit guten Ratschlägen, spöttischen
Bemerkungen und lautem Gelächter die Aktion begleiten. So etwas
erlebt man ja nicht alle Tage im Dorf!
Schafwolle
– wichtig für den Eigenbedarf
Es
wird berichtet, dass im 18. Jahrhundert und auch im frühen 19.
Jahrhundert sogenannte „Wollkratzer“ in die Dörfer kamen. Die
nach der Schur die Wolle aufbereiteten, danach konnte sie versponnen
werden. Das Wollespinnen war in der Regel die Arbeit der älteren
Frauen, Flachs zu spinnen war anstrengender und wurde daher den jüngeren
überlassen. Als im 19. Jahrhundert in Melsungen Spinnereien und
Tuchfabriken gegründet wurden, konnten die Schafhalter die Wolle
nach Melsungen liefern. Was für den Eigengebrauch benötigt wurde,
ließ man in Melsungen „kämmen“, das heißt für das Spinnen
aufbereiten. Bis in die Zeit nach dem 2. Weltkrieg hat zum Beispiel
die Firma „Woll – Hesse“ diese Arbeiten ausgeführt. In
Melsungen gab es nicht nur die Tuchindustrie; man konnte auch die
gesponnene Wolle, also das Wollgarn dort färben lassen. Damals war
der Begriff „Do it yourself“ unbekannt, bei der Nahrung und der
Kleidung waren die Menschen aber viel stärker auf eine
Selbstversorgung eingestellt, als wir uns das heute vorstellen können.
Stand: 15.06.03 12:24, (c) www.koerle.net
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