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Eine Wagenfurther „Gemeinde – Rechnung“ aus dem Jahre 1857

Von den vielen Akten der Wagenfurther Gemeindeverwaltung ist kaum etwas erhalten geblieben. Deshalb ist es heute auch nicht mehr möglich, Entwicklungen und Vorgänge über mehrere Jahre hinweg aufzuzeigen. Durch Zufall konnte ich vor einigen Jahren die Gemeinderechnung aus dem Jahre 1857 vor der Vernichtung bewahren. Diese Akte gibt uns zwar nur eine Auskunft über die Einnahmen und Ausgaben de Gemeinde während eines Jahres und sagt auch wenig über die Zeit davor und danach aus, dennoch liefert sie einen interessanten Einblick in die Dorfgeschichte. Geführt wurde durch den Rechnungsführer Köbberling, der seit dem 15. Mai 1851 das Amt innehatte. Wir erfahren auch, dass er die Akte, wie es heißt „nebst Beilagen und sonstigen Urkunden“ am 12. Mai 1858 an den damaligen Bürgermeister Griesel abgegeben hat. Leider sind die erwähnten Beilagen und sonstigen Urkunden nicht mehr vorhanden. Es handelt sich bei dieser Gemeinderechnung um ein Heft mit vorgedruckten Einnahme- und Ausgabetiteln. Der Rechner brauchte die Vordrucke nur auszufüllen. Weil es sich um ein relativ kurzes Schriftstück handelt, gebe ich nachfolgend eine Abschrift der kompletten Akte wieder.

Gemeinde = Rechnung vom Jahre 1857 von der Gemeinde Wagenfurth geführt durch den am 15. Mai 1851 verpflichteten Rechnungsführer Köbberling

 

Einnahmen

Thal

Sgr

Hlr

Von Äckern, Wiesen, Weiden, Gärten, Pflanzenörtern, Triften, Huten:

1) Heinrich Hühner zahlte pro 1857 Pachtgeld vom Todenhof Pachtzeit (1856-1858)

 

 

15

 

Von Gemeinde = Waldungen oder Wald = Antheilen:

2) Für verkauftes Bau- und Werkholz und Loh aus dem Gemeindewald ist im Jahr 1857 eingekommen

 

96

 

8

 

3) Die von der Renterei Felsberg pro 1857 empfangenen Waldstrafanteile

4

16

3

Von Baumschulen und Baumpflanzungen, durch den Verkauf des Obstes, entbehrlicher Stämme, Knappweiden, ...

4) Conrad Hardung zahlte pro 1857 für gekauftes Obst

 

 

20

 

4.1) Freudenstein desgleichen

 

15

 

4.2) Georg Hühner II. für desgleichen

1

9

 

4.3) Heinrich Dieling zahlte Wayden von Gemeindewiesen pro 1857

 

22

6

Von Waage-, Fähr-, Apotheker- und sonstigen Gerechtsamen in Betreff der Betreibung gewisser Gewerbe und Handelsgattungen:

5) Heinrich Hüner zahlte pro 1857 vom Gemeinde = Überfahrtschiffe

 

6

 

 

Schul- und Holzgeld, welches nach dem Ausschreiben des Ministeriums des Inneren vom 26. Mai 1852 erhoben wird:

6) An Schul- und Holzgeld ist von den Eltern schulpflichtiger Kinder im Jahre 1857 erhoben worden: Pro I. Quartal 1857 von 16 Kindern à Kind monatlich 10 Hlr Schulgeld und von den 6 Wintermonaten 1 Sgr 2 Hlr für Holzgeld

 

 

3

 

 

6

 

II. Quartal von 17 Kindern

1

12

6

III. Quartal von 17 Kindern

1

12

6

IV. Quartal von 20 Kindern

4

 

 

Außergewöhnliche Erhebungen:

Zur Gemeindekasse ist erhoben worden:

7) Im Monat September eine Grund- und Gewerbesteuer mit

 

13

 

21

 

2

8) Im Monat Dezember eine Grund- und Gewerbesteuer mit

13

21

2


Indirekte Abgaben, welche in der Gemeinde erhoben werden als: Verbrauchsabgaben vom Branntwein, Wein, Bier, Essig, ...

9) An Hülfssteuer von Branntwein ist eingekommen laut Vertrag vom 26ten Merz 1857 von

Schenkwirth Erbeck

 

 

10

 

 

9.1) George Emmeluth

1

 

 

9.2) Adam Köbberling

1

 

 

9.3) Bürgermeister Griesel

1

 

 

9.4) Helwig Emmeluth

1

 

 

9.5) Johannes Hardung

1

 

 

9.6) George Schmidt

1

 

 

Wiederholung der Einnahmen:

Einnahme von Grundstücken

104

15

9

Einnahme von Nutzbaren Gerechtsnamen

6

 

 

Direkte Abgaben der Ortsbewohner

37

13

4

Indirekte Abgaben

16

 

 

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------

------

----

Summa aller Einnahmen

163

29

1

 

 

Ausgaben

Thal

Sgr

Hlr

Zinsen schuldigen Kapitalien:

10) Heinrich Emmeluths Witwe Zinsen von 200 Thalern Capital vom 1. Juni 1856 bis dahin 1857

Hanskurth Werner Zinsen von 100 Thalern Capital vom 1. Juni 1856 bis dahin 1857

Bürgermeister Griesel von 200 Thalern Capital vom 1. Juni 1856 bis dahin 1857

 

9

 

4

 

9

 

 

 

15

 

11) An Heinrich Emmeluths Witwe von 100 Thalern Capital vom 1. Januar 1857 bis dahin 1858

Adam Köbberling von 400 Thalern Capital vom 1. Januar 1857 bis dahin 1858

Martha Elisabeth Werner Zinsen von 100 Thalern Capital vom 1. Januar 1857 bis dahin 1858

Heinrich Emmeluths Witwe Zinsen von 100 Thalern Capital vom 2. Februar 1857 bis dahin 1858

4

 

18

4

 

4

15

 

 

15

 

15

 

Gehaltene und sonstige Dienstvorteile der Gemeindebehörden und Diener, auf den Grund des festgestellten Normalgehalts = Etats.

12) Der Bürgermeister Griesel Gehalt pro 1857

 

6

 

 

Dem selben für Schreibmaterialien 1857

2

15

 

13) Dem Dorfdiener Heinrich Hüner Gehalt pro 1857

2

 

 

14) Dem Gehülfen des Amtswegewärter Christoph Erbeck Gehalt pro 1857 laut Ackort

1

15

 

Der Gemeinds = Rechnungsführer Köbberling vor 1643 Thaler 29 Sgr

1 Hlr Einnahme: 2% Erhebungsgebühren pro 1857

3

8

4

Beitrag zu der Brandversicherungsgesellschaft

15) Dem Steuer = Erheber Köbberling Brandsteuer vom Gemeindehaus pro 1857

 

 

1

 

8

16) Dem Schornsteinfegermeister für Reinigen der Schornsteine im Gemeindehaus pro 1857

 

6

 

Für Unterhaltung der Waldungen:

17) Dem Waldschütz Friedenstein für Aufsicht über den Gemeindewald vom 5. Merz 1857 bis dahin 1858

 

8

 

 

18) Demselben bei der Pflanzung im Gemeindewald Tagelohn für Aufsicht und Hülfeleistungen pro 1857

2

 

 

19) Dem Forstlaufer Horn von Altenbrunslar für Aufsicht und Hülfeleistungen bei der Pflanzung im Gemeindewald pro 1857

2

 

 

Ausgabe für den öffentlichen Unterricht

Dem Schullehrer Horch zu Grebenau Schul- und Holzgeld pro 1857

10

1

 


Ausgaben hinsichtlich der Gesundheitspolizei

21) Dem Gemeindeerheber Sinning in Körle vor Impfkosten pro 1857

 

2

10

Herkömmliche Emolumente für Rentereibeamte und sonstiger Staatsdiener:

22) Der Renterei Melsungen zur Renterei Felsberg Waldinspektionsgebühren pro 1857

 

3

 

6

 

8

Tagegelder und Reisekosten der Landbaumeister und der Gemeindebeamten:

23) Dem Bürgermeister Griesel für Wege in Gemeindeangelegenheiten pro 1857

1

15

 

24) Dem Gemeindeerheber Köbberling für desgl.

 

15

 

Forstgeld, Fuhr- und Hauerlohn für Holz zu gemeinheitlichem Berufe:

25) Dem Rottenmeister Eberth Holzhauerlohn von 424 Zoll Abschnitte à Zoll 3 Sgr. und 5 Klaftern Loh pro 1857

 

7

 

16

 

Porto; Botenlohn:

26) Kurfürstlichem Postamte zu Melsungen für Lieferung der dienstlichen Briefe und Zeitungen pro 1857

1

 

 

Für Zeitschriften:

27) Kurfürstlichem Postamte zu Melsungen für das Casseler Wochenblatt und Bestallgebühr pro 1857

1

20

6

28) Dem Kreisbereiter Lange zu Melsungen für die Zeitung der Bote aus Cassel pro 1857

2

5

 

Beiträge zu anderen Kassen, für Verbände und anderen Gemeinden:

29) Dem Gemeindeerheber Assmann zu Grebenau Beitrag der Kirche, Pfarrei und Schulgebäude pro 1857

7

13

5

Für Aufstellung und Abhörung der Rechnung:

Für Aufstellung dieser Rechnung im Dopplo sowie das Heftern der Belege

1

15

 

Stempel für deren Abhörung

 

15

 

Für unvorhergesehene Fälle im Allgemeinen:

30) Dem Bürgermeister Griesel für Benutzung seines Backofens im Jahr 1857

1

 

 

Dem Johannes Hardung für desgl.

1

 

 

31) Dem Scribent Becker zu Melsungen für Anfertigungen eines Gesuchs um Steuerzeugsverwilligung aus dem Gemeindewald 1857

 

13

3

Wiederholung der Ausgaben

 

 

 

Überzahlung aus der vorigen Rechnung

15

9

6

Zinsen von schuldigen Kapitalien

54

 

 

Gehalte der Gemeindebehörden und Diener

15

8

4

Ausgaben für das Gemeindevermögen

12

7

8

Ausgaben für den örtlichen Unterricht

10

1

 

Ausgaben hinsichtlich Gesundheitspolizei

 

2

10

Sonstige, theils zufällige, theils weniger erhebliche Ausgaben

29

14

8

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-------

-------

----

Summa aller Ausgaben

136

14

 

Wie wir sehen, bestanden die Einnahmen einer Gemeinde zu einem beträchtlichen Teil aus dem Verkauf von Holz und Loh. Als „Loh“ bezeichnet man die Rinde junger Eichen. man benötigte diese zum Gerben des Leders. Auch ein Waldgebiet in dem die jungen Eichen heranwachsen wird mit „Loh“ bezeichnet. Die alte Gemarkungsbezeichnung „Auf dem Loh“ erinnert an die Gewinnung der Eichenrinde. Offensichtlich haben mehrere Personen auch versucht, sich das Holz unter Umgehung der Vorschriften zu beschaffen. Die Förster waren sehr wachsam, deshalb konnte die Gemeindekasse einen relativ hohen Anteil an den verhängten Bußgeldern als Einnahme verbuchen. Eine zweite wichtige Einnahmequelle war die Grund- und Gewerbesteuer. Der Hebesatz war wegen der guten Erlöse aus dem Holzverkauf relativ gering angesetzt. Schon an dritter Stelle folgte das Aufkommen aus der „Hülfesteuer von Branntwein“. In diesem Zusammenhang erfahren wir auch, das Wagenfurth eine Wirtschaft hatte und der Wirt Erbeck hieß.

Die von den Eltern schulpflichtiger Kinder erhobenen Gebühren waren nur durchlaufende Gelder, sie wurden in gleicher Höhe wieder an den Schulmeister in Grebenau abgeführt.

Heinrich Hüner war damals Gemeindediener und Fährmann, er hatte sein „Überfahrtschiff“ allerdings von der Gemeinde gepachtet. Ebenfalls gepachtet hatte er den „Todenhof“. Das heißt aber nicht, das er für die Bestattung der Verstorbenen eine Gebühr nehmen durfte; ihm war lediglich gestattet, das Gras auf dem Friedhof zu mähen.

Damals förderten die Gemeinden den Obstanbau. Wie wir sehen, floss ein gewisser Betrag aus dem Verkauf von Gemeindeobst in die Kasse.

Die Ausgabenseite mutet uns fast wie der Haushaltsplan eines heutigen Staates an. Die Ausgaben für Zinsen und Verwaltung fressen die Hälfte der Einnahmen auf. Ich beklagte schon am Anfang meines Berichts, dass es kaum noch Akten oder andere Aufzeichnungen aus Wagenfurth gibt. So kann man nur vermuten, weshalb die Gemeinde in den Jahren 1847 – 1854 von einigen ihrer Bewohner so hohe Kredite aufgenommen hat. Mit einiger Gewissheit ist anzunehmen, dass die Gemeinde damit die „Ablösung“ bezahlt hat. Das heißt, die Gelder sind an die Staatskasse weitergeleitet worden, um die auf der Gemeinde lastenden Verpflichtungen gegenüber „der Herrschaft“ abzulösen, wie sie zum Beispiel im Bericht über das Lager-, Stück- und Steuerbuch genannt wurden. Während andere Dörfer sich das Geld von der Landeskreditkasse borgten, konnte Wagenfurth offensichtlich aus eigener Kraft die Beträge aufbringen. Wegen dieser finanziellen Stärke erhielt Wagenfurth im Volksmund den Beinamen „die Schmalzgrube“. Leider sind keine Akten mehr vorhanden, aus denen hervorgeht, wie die Gemeinde die Kredite an die Geldgeber zurückgezahlt hat.

Die Gemeinde Körle hatte sich das Geld für die Ablösung von der „Kurfürstlichen Landeskreditkasse“ geliehen. Die Körler mussten 4 ½ % Zinsen zahlen; das ist der gleiche Zinssatz den die Wagenfurther Gemeinde den Geldgebern gewährte. Die Ablösung wurden jedoch auf die Höfe umgelegt, die von der Ablösung profitierten. Die Zinsen und den Abtrag zog die Gemeindekasse von den betroffenen Bauern ein und führte den Betrag an die Landeskreditkasse ab.

Die Jahresabrechnung schließt mit einem Überschuss von 27 Thalern, 15 Silbergroschen und 1 Heller ab. Unterzeichnet wurde das Dokument von:

Der Gemeinderath: Griesel, Hardung, Eberth

Der Gemeinde-Ausschuss: Köbberling, Freudenstein, Dieling

Der Ausschussvorsteher: Emmeluth

Stand: 21.06.03 23:47, (c) www.koerle.net 

 

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