Verlauf: -> Startseite -> 700 Jahre Wagenfurth 

Die Fulda war einst Wasserstraße

Durch die Ortschaften, die an den Handels- und Heerstraßen lagen, fuhren oft Fahrzeuge der Kaufleute, die Kutschen der Reisenden, auch die Pferdewagen der Bauern, die Güter zum Landsherrn nach Kassel bringen mussten und besonders die Postkutschen: Da gab es viel zu beobachten und zu berichten. Gesprächstoff lieferten ebenso die gelegentlich in die Gastwirtschaften einkehrenden Reisenden. Die mehr abseits gelegenen Dörfer kannten diese Abwechslung nicht, in die kam  selten ein Fremder, außer in Kriegszeiten – und auf diese „Abwechslung“ konnte man gut und gern verzichten.

Für die kleinen Dörfer an der Fulda wie etwa Wagenfurth muss es daher etwas ganz Besonderes gewesen sein, als die hessischen Landgrafen den Fluss zur Wasserstraße ausbauen ließen.

Es war Landgraf Moritz, er regierte 1592 – 1627, der den Entschluss fasste, die Güter, die seine Untertanen an seinen Hof in Kassel liefern mussten, möglichst auf dem Wasserwege anliefern zu lassen. Auf der Fulda gab es schon vor dem Jahre 1600 Flößer, auch einige Privatunternehmer hatten versucht, auf Lastkähnen ihre Waren zu transportieren. Das war aber nur unter großen Schwierigkeiten möglich. Rudolf Haarberg berichtet in einem Beitrag über die Fuldaschifffahrt (Heimatschollen 4/1950), dass Landgraf Moritz, dem man später den Beinamen „der Gelehrte“ gab, seinem Büchsenmeister Anweisungen gegeben habe, den Grund und Boden des Flusses mit einem großen eisernen Rechen aufzurühren, um das Gewässer von grobem Schmutz und Unrat zu säubern. Die Bewohner der anliegenden Ämter mussten bei diesen Arbeiten helfen. Die Säuberung allein reichte jedoch nicht aus, um den Fluss schiffbar zu machen. Es wurden die Ufer befestigt. Leinpfade wurden angelegt und Schleusen gebaut. Fischer, Holzfäller und Hirten wurden verpflichtet, dem befestigten Ufer keinen Schaden zuzufügen. Zu den künftigen Reparaturen konnten alle Bewohner der angrenzenden Ämter herangezogen werden.

Im Jahre 1601 nahmen die ersten Schiffe den Verkehr auf der neuen Wasserstraße auf. Aber bald schon brachte der 30-jährige Krieg den Niedergang. Erst unter Landgraf Karl, er regierte 1670 – 1730, konnte man wieder von einem Aufblühen des Schiffsverkehrs auf der Fulda sprechen. Landgraf Karl, an dessen Wirken uns u.a. Karlshafen und die Karlsaue erinnern, wollte die Wirtschaft fördern. Er plante einen Kanal von Karlshafen über die Fulda, die Eder und die Lahn bis zum Rhein. Im Rahmen dieses Planes wurde auch die Fuldawasserstraße wieder bis Hersfeld ausgebaut. Um zu zeigen wie damals die Menschen von dem Schiffsverkehr beeindruckt waren, zitiere ich nochmals R. Haarberg. Er berichtet von einem Pfarrer, der in der Kirchenchronik vermerkte: „Und jetzt folgten die Jahre in denen viele tausend Schiffe die Fulda hinuntergefahren sind.“ Mir scheint, der Herr Pfarrer hat da doch etwas übertrieben.

Die Schiffe hatten meist eine Länge von 20 – 24 m, waren aber nur 1,20 – 1,50 m breit. Die meisten hatten ein Vorder- und ein Hinterkastell zum Übernachten der Schiffsleute. Flussauf wurden diese Lastkähne von zwei oder vier Pferden gezogen. Diese gingen auf den sogenannten Lein- oder Treidelpfaden. An sumpfigen Stellen waren diese Pfade grob gepflastert. Es gehörte zu den Frondiensten der in den angrenzenden Ämtern wohnenden Bauern, mit ihren Pferdegespannen die Schiffe flussaufwärts zu ziehen. Für den notwendigen Abstand zum Ufer mussten die Schiffsknechte mit ihren langen Stangen sorgen. Stromab ließen sich die Kähne treiben. Häufig wurden bei der Talfahrt auch Segel gesetzt.

Transportiert wurden auf den Schiffen z.B. Holz, Steine und andere Baumaterialien Getreide, Futtermittel. Besonders privilegiert waren die Hersfelder Schiffer, sie durften zum Ärger der Melsunger allein hochwertige Waren wie Stoffballen und Lebensmittel befördern. Ein Tarif aus dem Jahre 1765, den das „Fürstl, Hessische Commercien – Collegium“ bekannt gab, vermittelt uns einen Einblick in die damals beförderten Materialien. Da sind z.B. aufgeführt: 1 Stückfass Wein, 1 Ohm Wein, Bier oder Essig, 1 Oxhoff Wein oder Branntwein, 1 Quartal Rüböl oder Tran, 1 Tonne Heringe, Teer oder Butter, 1 Kiste Kandis und 1 Bürde Leder. Auch für die Personenbeförderung gab es feste Tarife.

Die Fuldaschiffe konnten 250 bis 350 Zentner tragen. Das war gegenüber den Pferdefuhrwerken, die sich über die oft schlammigen und holprigen Straßen quälen mussten, ein riesiger Vorteil. Im Gegensatz zum 30-jährigen Krieg wurde während des 7-jährigen Krieges (1756 – 62) die Schifffahrt intensiviert. Die Franzosen, die unser Gebiet zeitweise besetzt hatten, ließen Futter und Lebensmittel auf der Wasserstraße nach Kassel bringen. Sie erreichten sogar, dass der Fluss bis zur Stadt Fulda ausgebaut wurde. Dieser Abschnitt hatte jedoch nur für kurze Zeit Bedeutung. Auch die Alliierten (die damals mit den Engländern verbündeten deutschen Länder) förderten und nutzten den Schiffsverkehr für ihre Kriegshandlungen.

Mit dem besseren Ausbau der Fernstraßen und vor allem nach dem Bau der Eisenbahnstrecke Kassel – Bebra verlor der Transport auf dem Fulda – Wasserweg schnell an Bedeutung. Es gab zwar zwischenzeitlich immer wieder Bestrebungen, mit extrem flachen Schiffen den Verkehr zu beleben. Im Jahre 1928 befuhr ein Motorboot, das einen Tiefgang von nur 40 cm hatte, im Auftrag der Kasseler Wasserbehörden die Fulda stromaufwärts. Obwohl der Test als gelungen bezeichnet wurde, blieb es nur bei diesem einen Versuch. Einige Wagenfurther hofften damals, dass das Dorf nun eine Anlegestelle für den Schiffsverkehr bekommen werde; damit wird es wohl vorerst nichts geben.

Stand: 15.06.03 12:34, (c) www.koerle.net 

 

Zurück