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Von
den Wagenfurther Fuldafischern
In
den vergangenen Jahrhunderten blieb die Jagd dem Adel vorbehalten,
die Bauern mussten Hilfsdienste leisten. Dagegen zeigte der Adel am
Fischen nur wenig Interesse. Die Fischgewässer gehörten zwar den
Landesherren. Sie wurden in der Regel jedoch „vermeiert“ das heißt
verpachtet. So zum
Beispiel auch die Fulda. Im Lager-, Stück und
Steuerbuch von1743 wird berichtet:“.. Gehöret diese (die Fulda)
Allergnädigster Herrschaft, welche den Fischfang, der sogleich über
Wagenfurth beim sogenannten Bornfluss anfängt und über Grebenau
beim sogenannten Hohen Ufer endigt, um zwei Reichstaler an
(Wagenfurth) Einwohner vermeiert.“ Der hier genannte Bornfluss ist
höchstwahrscheinlich der Abfluss des Ringelborns, den die
Wasserinteressenten heute als Quelle nutzen. Um 1760 wird Henrich
Leuchter aus Wagenfurth als Pächter des Fischwassers zwischen
Wagenfurth und Grebenau genannt, „soweit es nicht ein Teil des
Pfarrers von Grebenau ist.“ Um 1830 hatte George Leuchter das
Fischwasser gepachtet. Die Landgrafen von Hessen Kassel gaben im
Laufe der Zeit mehrere Fischgewässer an verdiente Adelsfamilien als
Lehen; so waren unter anderem verschiedene Abschnitte des
Fuldalaufes an die von Riedesel gekommen.
Adelige
übten wie schon gesagt, nur selten die Fischerei aus. Deshalb
verpachteten die von Riedesel ihre Fuldaabschnitte ebenfalls an
Einwohner der Dörfer, die entlang der Fulda liegen. So kam es, dass
sich über mehrere Jahrhunderte Einwohner von Wagenfurth
nebenberuflich als Fischer betätigten. Zu diesen zählten um 1900
Mitglieder der Familie Reinbold und der Familie Dieling. Sie
schlossen mit der Riedeselschen Renterei Pachtverträge ab, die in
der Regel über 10 Jahre liefen. Damals war das Angeln noch nicht
Mode, gefischt wurde mit Netzen und Reußen. Zur Ausrüstung der
Fischer gehörte ein Kahn. Auch wenn die Fischerei nur
nebenberuflich ausgeführt wurde, musste ein Fischer nicht nur gute
Kenntnisse mitbringen, er benötigte auch Startkapital. Im Jahre
1932 konnten Wilhelm Reinbold und seine Brüder Andreas und Justus
von der Riedeselschen Renterei die Fischereirechte für einen größeren
Fuldaabschnitt kaufen.
Heute
ist das Fischen mit Netzen völlig aus der Mode gekommen.
Angelsportvereine haben von den ehemaligen Eigentümern die
Fischereirechte entweder gepachtet oder gekauft. So ist der
Abschnitt zwischen Wagenfurther Brücke und Grebenau heute noch
staatlich, während der Abschnitt zwischen Wagenfurther Brücke und
der Mündung der Trockenen Mülmisch je zur Hälfte Helmut Jakob und
Kurt Reinbold gehört.
In
der Fulda leben nicht nur Fische. In den letzten Jahrzehnten hat
sich ein Schädling hier angesiedelt, der den Behörden große
Sorgen bereitet. Es ist der Bisam, ein plumpes, bis etwa 40 cm
langes Nagetier mit einem etwa 25 cm langen Schwanz. Der Bisam
stammt aus Nordamerika. Er wurde im Jahre 1906 als Pelztier in Böhmen
ausgesetzt und hat sich inzwischen über weite Gebiete Europas
verbreitet. Sein Pelz ist zwar sehr wertvoll, doch durch seine
Lebensweise richtet er großen Schaden an. Er lebt im Wasser, seinen
Bau errichtet er im Flussuferbereich. Weil der Eingang unter dem
Wasserspiegel liegt, ist dieser vom Ufer aus nur schwer auszumachen.
Das Unterhöhlen des Uferbereichs ist sehr gefährlich; und das
nicht nur in Hochwasser gefährdeten Zonen, sondern an allen Flüssen
und Kanälen. Der Bisam wird deshalb auch bei uns gejagt. Das Land
Hessen hat schon vor Jahrzehnten hauptamtliche Bisamjäger
eingesetzt. Die ihrerseits zu Unterstützung wieder geeignete
Personen als Bisamfänger beauftragten. Als ein solcher Beauftragter
war Helmut Jacob aus Wagenfurth längere Zeit tätig. In dem ihm
zugewiesenen Abschnitt hat er nach seiner Aussage jährlich etwa 100
dieser Tiere in Bisamfallen gefangen.
Ein
entsetzlicher Unfall.
Dass
das Fischen in der Fulda nicht ganz ungefährlich ist, beweist ein
grausames Ereignis, von dem man lange Zeit in Wagenfurth und
Lobenhausen mit Schaudern erzählte. Dorfschmied Helwig Dieling aus
Wagenfurth hatte das Fischereirecht für einen Fuldaabschnitt
zwischen Röhrenfurth und Melsungen gepachtet. Im Oktober 1924 führte
die Fulda Hochwasser. Das schien dem Schmied eine gute Gelegenheit,
auf Fischfang zu gehen. Drei seiner erwachsenen Kinder begleiteten
ihn. Seine älteste Tochter Marlies, sein Sohn Johann Werner und die
Tochter Elisabeth, die verheiratet war und mit ihrem Mann in
Ellenberg lebte.
Bei
Hochwasser wurde mit dem Netz gefischt; und das war nur möglich,
wenn mehrere Personen bei der Arbeit halfen. Der Fang war an diesem
Tag besonders gut. So beschloss man, die Fische mit dem Kahn nach
Wagenfurth zu transportieren. Die drei jungen Leute blieben im Boot,
während Helwig Dieling mit dem Fahrrad den Landweg nahm, aber immer
in Sichtweite blieb.
Zu
dieser Zeit gab es in Lobenhausen noch keine Brücke. Es führte nur
ein hölzerner Steg über den Fluss. Um das Holz vor Schaden durch
Hochwasser und Eisgang zu schützen, wurde im Frühherbst der Steg
abgebaut. Allerdings blieben die in den Flussboden gerammten Pfähle
auch während des Winters stehen. Das hatten die drei Dieling Kinder
nicht bedacht, als sie sich der Stelle näherten. Infolge des
Hochwassers waren diese hölzernen Pfeiler überspült und nicht zu
erkennen. Das Schicksal wollte es, dass der Kahn auf einen dieser Pfähle
auflief und kenterte. Die Fischladung und die drei jungen Menschen
wurden von der Strömung mitgerissen. Helwig Dieling musste vom Ufer
aus die Tragödie miterleben. Nach Augenzeugenberichten war er so
geschockt, dass er anfangs das Ausmaß des schrecklichen Ereignisses
gar nicht erkannte. Keine der drei Personen konnte sich ans Ufer
retten.
Die
Leiche der ältesten Tochter wurde nie gefunden. Den toten Sohn
entdeckte man erst Wochen später am Ufer zwischen Dittershausen und
Dennhausen. Geradezu grauenvoll sind die Geschehnisse um die tote
Elisabeth, verheiratete Ebert.
Im
Spätsommer 1924 hatte man bei Guntershausen mit dem Bau einer
Fuldabrücke begonnen. Wegen des Hochwassers wurden die Arbeiten
schon bald wieder eingestellt und erst im Frühjahr 1925 wieder
aufgenommen. Nachdem die Brückenpfeiler gegossen waren, entfernten
die Bauarbeiter die Verschalungen. An einem Pfeiler machten sie eine
unglaublich grausame Entdeckung, ihnen ragte eine Hand entgegen.
Die
Leiche der Elisabeth Ebert hatte sich im Drahtgefecht verfangen und
war einbetoniert worden. Sie konnte einwandfrei identifiziert
werden. Im Einvernehmen mit den Angehörigen hat man auf eine
Bergung des Leichnams verzichtet. Und so wurde der Brückenpfeiler
zum Grab der jungen Frau. Nach der Fertigstellung der Brücke im
Jahre 1925 ist eine Gedenktafel angebracht worden. Im Rahmen von
Sanierungsarbeiten an dem Bauwerk im Jahre 1985 erneuerte man auch
diese Gedenktafel. Die Inschrift lautet:
IM
FRÜHJAHR 1925 WURDE BEIM BAU
DIESER BRÜCKE DIE AM 16.8.1900
IN WAGENFURTH GEBORENE ELISABETH
EBERT;
GEB. DIELING IN DIESEN
PFEILER ALS LEICHE EINBETONIERT.
DIE JUNGE FRAU WAR MIT ZWEI
GESCHWISTERN
AM 10.101924 IN DEN
HOCHWASSERFLUTEN
DER FULA ERTRUNKEN
U.
IN DIE SPUNDWÄNDE DES PFEILERS
EINGESCHWÄMMT
WORDEN.
(Originaltext
der Gedenktafel)
Stand: 21.06.03 23:53, (c) www.koerle.net
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