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Wagenfurther
Kinder in der Schule zu
Grebenau
Als
im Laufe des 17. und 18. Jahrhunderts auch in den kleinen Dörfern
Schulen eingerichtet wurden, geschah dies zuerst in den Pfarrorten.
Das kam daher, weil damals die Pfarrer die Schulaufsicht hatten. Das
heißt, der Pfarrer war sozusagen der Vorgesetzte des Schulmeisters
und auch der Kinder. Er kontrollierte regelmäßig die Leistung und
das Verhalten von Lehrern und Schülern. Es kam nicht selten vor,
dass die Schüler in der Kirche vor versammelter Gemeinde im
Rechnen, im Lesen und besonders in der Bibelkunde geprüft wurden.
Erst im Jahre 1919 wurde die „geistliche Schulaufsicht“ von der
staatlichen Schulaufsicht abgelöst.
Im
späten Mittelalter hatte das kleine Grebenau eine bedeutende
Pfarrei. Die Grenzen des Kirchspiels waren weit gezogen. Daher gab
es im Dorf relativ früh eine Volksschule, diese wurde im Jahr 1636
gegründet.
Es
war durchaus nicht leicht für eine kleine Gemeinde, einen Schulraum
zu schaffen und einen Schulmeister einzustellen. Die Dorfbewohner
hatten nicht nur für die Kosten des Schulsaales aufzukommen, sie
mussten auch den Lehrer besolden. Um der zu großen Belastung zu
entgehen, bildete Wagenfurth mit Grebenau einen Schulverband. An
sechs Tagen in der Woche gingen Wagenfurther Schulkinder zu Fuß
nach Grebenau. Zu manchen Zeiten auch zweimal täglich, denn es gab
gelegentlich im Winter auch Nachmittagsunterricht. Der
Konfirmandenunterricht war natürlich auch in Grebenau und fand, wie
allgemein üblich, am Nachmittag statt.
Nach
der Überlieferung stand das erste Schulhaus unmittelbar am
Kirchhof, man könnte auch sagen am Friedhof, denn damals wurden die
Toten noch an der Kirche beerdigt. Man darf sich die damaligen
Schulgebäude nicht so vorstellen, wie wir sie heute kennen. Oft
hatte man ein altes Bauernhaus aufgekauft, das man dem jeweiligen
Schulmeister zur Verfügung stellte. Weil der „Schullehrer“ häufig
nebenher ein Handwerk ausübte, kam es nicht selten vor, dass er in
seinem eigenen Haus „Schule hielt“. Wenn genügend Raum in dem
Gebäude war, gab es einen richtigen Schulsaal. Oft aber wurde im
Wohnraum der Lehrerfamilie unterrichtet. In der alten Schule von
Grebenau ging es sehr eng zu. Im Unterrichtssaal stand der Webstuhl
des Schulmeisters, an dem wurde auch während der Unterrichtszeit
gearbeitet. Die Schulkinder saßen eng zusammengepfercht. An den
Kosten des Grebenauer Schulhauses musste sich die Gemeinde
Wagenfurth beteiligen.
Die
Verhältnisse besserten sich erst, nachdem im Jahre 1846 ein
stattliches Fachwerkhaus erworben wurde. Die Abwicklung dieser
Anschaffung mutet uns heute kurios an. Das schlechte Schulhaus wurde
gegen ein etwas besseres Gebäude ausgetauscht. Der damalige
Besitzer ließ sich das alte unansehnliche Schulhaus übertragen, in
das er dann mit seiner Familie einzog. Als Ausgleich erhielt er die
Summe von 500 Reichstalern. Allerdings waren die Bedingungen in dem
neuen Schulhaus auch nicht immer optimal. Darauf lässt zum Beispiel
eine Notiz des Lehrers aus dem Jahre 1908 schließen, da heißt es:
„In den Sommerferien wurde endlich der Schulsaal, dem es so nötig
tat, gedielt – aber nicht geweißt und getüncht. Auch wurde eine
neue Karte von Deutschland nach vielen Kämpfen und Ringen
geschafft.“ Man sieht, die Ausstattung der Schulen mit Lehr- und
Lernmaterial war stets ein Problem!
Das
im Jahre 1846 erworbene Fachwerkhaus, diente bis zur Auflösung der
Grebenauer Schule im Jahre 1962 als Schulgebäude mit
Lehrerdienstwohnung. In 1975 wurde es abgerissen. Heute steht auf
dem Platz das Feuerwehrgerätehaus.
Wie
schon gesagt, das Einkommen der damaligen Lehrer war äußerst
gering. Das Spottlied „Vom armen Dorfschulmeisterlein“ hatte,
was die Armut betrifft, leider einen wahren Kern. Von Wagenfurth
erhielt (nach dem Lager- Stück- und Steuerbuch) der Grebenauer
Schulmeister folgende „Entlohnung“: Jeder Bauer gab je eine
Garbe Roggen und eine Garbe Hafer (es gab im Dorf allerdings nur
acht Bauernhöfe!). Von jedem Schulkind bekam er je Schulhalbjahr 10
Albus, 8 Heller und aus jedem Haus jährlich drei Laibe Brot. Weil
er auch sogenannte „niedere Kirchendienste“ verrichten musste,
konnte er sein Einkommen etwas aufbessern, so erhielt der
Schulmeister als Gehilfe des Pfarrers bei Hochzeiten: 3 Albus und 6
Heller, den gleichen Betrag bekam er auch für seine Hilfe bei einer
Beerdigung. Für „einen Toten auszuläuten“ bekam er 1 Laib Brot
und 1 Albus. Weiter heißt es: „Bei Hochzeiten erhält er ein
Geschenk von Speisen.“
Nach
dem Haushaltsplan der Gemeinde Wagenfurth aus dem Jahre 1857 erhielt
der Lehrer mittlerweile eine bessere finanzielle Ausstattung. Der
Gemeinde – Gelderherber kassierte bei den Eltern quartalsweise die
Gelder und übergab sie dem Lehrer. Für jedes Schulkind bekam er in
den Sommermonaten je Monat 10 Heller, in den 6 Wintermonaten erhöhte
sich der Betrag einschließlich „Holzgeld“ auf 1 Silbergroschen
und 2 Heller.
Wie
in allen Gemeinden schwankte die Schülerzahl im Laufe der Zeit
erheblich. Im Jahre 1857 besuchten 17 Wagenfurther Schulkinder die
Grebenauer Schule. Die folgenden Zahlen sind der Schulstatistik
entnommen. Jeweils zum 1. November wurde gezählt:
1908
40 Grebenauer 28
Wagenfurther
Gesamtschülerzahl: 68
1913
35 Grebenauer 22
Wagenfurther
Gesamtschülerzahl: 57
1919
23 Grebenauer 10
Wagenfurther
Gesamtschülerzahl: 33
1924
15 Grebenauer 4
Wagenfurther
Gesamtschülerzahl: 19
1929
12 Grebenauer 10
Wagenfurther
Gesamtschülerzahl: 22
1934
21 Grebenauer
9 Wagenfurther
Gesamtschülerzahl: 30
1940
26 Grebenauer
5 Wagenfurther
Gesamtschülerzahl: 31
Im
Jahre 1930 gab es in Körle eine vierklassige Hauptschule. Daher
verfolgte das Regierungspräsidium in Kassel schon damals den Plan,
die Wagenfurther und Lobenhäuser Kinder in Körle einzuschulen.
Lobenhausen war sehr daran interessiert. Weil die Fuldabrücke aber
nicht früher gebaut wurde, musste man bis 1935 auf die Realisierung
des Vorhabens warten. Am 1. April 1935 wurde der Schulverband Körle-Lobenhausen
gegründet. Die Wagenfurther standen einer Einschulung in Körle
sehr reserviert gegenüber. Obwohl die beiden Körler Schulhäuser
damals geradezu im Blickfeld von Wagenfurth lagen, wollte man von
dem gewohnten Gang nach Grebenau nicht lassen. Ab dem Jahr 1935
entschieden sich jedoch immer mehr Eltern und besonders auch die
Kinder für Körle. Aufgrund einer Regierungsverfügung gingen ab
dem Jahre 1941 alle Wagenfurther Kinder in die Körle Schule.
Im
Rahmen der Schulreform gab es im Jahre 1968 organisatorische Änderungen.
Körle hat ab dem 1. August 1968 nur noch eine Grundschule. Die
Kinder der Oberstufe gehen von diesem Zeitpunkt an in die
Gesamtschule Guxhagen.
Im
Schuljahr 2002/03 besuchen 5 Kinder aus Wagenfurth die Körler
Grundschule, in die Guxhagener Gesamtschule fahren 8 Wagenfurther
Kinder.
Nachtrag
Es
herrschte nicht nur eitel Sonnenschein beim Schulbesuch in Grebenau.
Als Beispiel möchte ich von zwei Begebenheiten berichten, die sich
allerdings schon in den Jahren vor 1900 zugetragen haben. Zur
Nachahmung werden sie keinesfalls empfohlen !!!
Es
war damals üblich, dass die Schulräume von den Kindern sauber
gehalten wurden. Zwei Wagenfurther Schülerinnen weigerten sich
eines Tages, die Schule zu kehren. Ein Verweis des Lehrers wurde von
den Mädchen einfach ignoriert. Erst als der Pfarrer, der ja
gleichzeitig örtlicher Schulinspektor war, die Schülerinnen
ermahnte und ihnen einen entsprechenden Regierungserlass vorlas, führten
sie die Arbeit aus.
Die
folgende Begebenheit ereignete sich im Jahre 1890. Der Lehrer hatte
in der Religionsstunde einen Bibeltext mehrfach besprochen und auch
nacherzählen lassen. Nachdem einige Schüler eine Stunde
„Nachlernen“ (Nachsitzen) an. Im weiteren Verlauf der Stunde
verweigerte ein Wagenfurther Schüler die Mitarbeit. In einem
Protokoll über die nun folgenden Ereignisse berichtet der Lehrer:
„Als der Schüler den Text zwecks Einprägung noch nachsprechen
sollte, tat er’s trotziger Weise nicht; und als ich ihm darüber
einige Hiebe geben wollte, drückte er sich heftig an den Mitschüler.
Er hielt sich krampfhaft an dem Tische fest. Ich gab ihm zwei Hiebe
über den Arm und ließ die Schüler der ganzen Bank heraustreten.
Da er meiner Aufforderung, aus der Bank zu treten, nicht folgte, so
fasste ich ihn mit beiden Händen am Kragen seines Wamses, um ihn
hervorzuheben. Da traf mich plötzlich ein Schlag am linken Bein,
dass ich ihn musste gehen lassen. Meine Kniescheibe des linken
Beines stand ganz zu Seite, und ich konnte nicht auf das Bein
treten.“
So
weit der Bericht des Lehrers. Der Unterricht fiel nach dem Vorfall
sofort aus. Der Lehrer musste in sein Bett getragen werden. Nach ärztlicher
Behandlung konnte er drei Tage später die Arbeit wieder aufnehmen.
Der Vater des Wagenfurther Schülers nahm kurze Zeit später seine
Kinder aus der Grebenauer Schule. Sie mussten in Lobenhausen am
Unterricht teilnehmen.
Stand: 21.06.03 23:58, (c) www.koerle.net
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