Körle                                                                                                TV, 13.10.03


ZDF: 14.10.03 - 22:15 

37 Grad: Kollegenschweine

Eine Erzieherin greift zur Waffe

Annegret Roemer wird schikaniert und kaltgestellt

Die Erzieherin Annegret Roemer arbeitet in der Kindertagesstätte in Körle bei Kassel. Sie hat die Einrichtung mit aufgebaut, leitet sie seit 20 Jahren. Plötzlich wird der Umgangston des Bürgermeisters verletzend, das Vertrauen schwindet. Annegret ist verzweifelt. Sie erträgt den Konflikt im Kindergarten nicht mehr und greift zur Waffe. Annegret will Schluss machen.

Nach langen erfolgreichen Jahren in der Kindertagesstätte schlägt die Stimmung um. Der Bürgermeister, ihr Chef, zeigt keine Loyalität mehr, Entscheidungen werden hinter ihrem Rücken getroffen, Arbeitszeugnisse darf sie nicht mehr ausstellen und auch das Verhältnis zu einigen Mitarbeitern wird unerträglich. Annegret bricht zusammen und wird in eine Klinik eingeliefert. Zurück an ihrem Arbeitsplatz geht der Konflikt weiter.

Ein langer zermürbender Prozess
     
"Ich wusste, dass in unserem Tresor eine Waffe liegt. Die nahm ich und habe mir gedacht, das geht am Schnellsten, das machst du, das ist kein großer Krach und dann bist du weg und alle Sorgen auch. Ich war alleine. Als ich die Waffe dann in der Hand hatte, kam mir der Gedanke, dass ich damit vielleicht auch zu meinem damaligen Chef gehen könnte. Ich sah keinen Sinn mehr in meinem Leben. Dann rief meine Mutter an. Sie hat mich davon abgehalten." Es vergeht kein Tag und keine Stunde, in der Annegret Roemer nicht an den Konflikt in der Kindertagesstätte denkt. Um die Mutter abzulenken, veranstalten Sohn Felix und der Vater spontane Ausflüge und lassen nichts unversucht, ihr kleine Fluchten zu bieten.

Dann erreicht der Kleinkrieg einen Höhepunkt. Es wird ihr untersagt, sich als Leiterin der Kindertagesstätte auszugeben. Darüber hinaus soll sie einen genauen Arbeitsnachweis führen - exakt und "minutengenau". Ein Gerücht geht um, ein offenes Geheimnis, wie eine der Mitarbeiterinnen in der Kindertagesstätte berichtet: Die Tochter des Bürgermeisters, eine ausgebildete Erzieherin, soll dort eingesetzt werden.

Retten, was zu retten ist

Annegret Roemer kommt in die Klinik Berus bei Saarbrücken. Eine der ersten Einrichtungen bundesweit mit speziellen Angeboten für Mobbingopfer. Der leitende Psychologe Josef Schwickerath schildert das Ziel der Therapie: "Nach sechs Wochen ist man kein anderer Mensch. Frau Roemer bleibt Frau Roemer, aber sie hat nach einigen Wochen hier die Möglichkeit, sich besser zu schützen, Dinge besser anzupacken als früher." Die meisten Mobbing-Opfer haben ihr Selbstwertgefühl verloren, fühlen sich als Versager, unfähig und nutzlos. Oft gibt es aus eigener Kraft keine Rettung mehr. Frau Roemer hat in der Therapie gelernt, Abstand zu gewinnen, die Ereignisse aus der Distanz zu betrachten.

Nach sieben Monaten Arbeitsunfähigkeit steht der erste Arbeitstag vor der Tür. Ihre Schwester, eine Psychotherapeutin, ist angereist, um Annegret zu begleiten. Mehrmals muss sich Annegret Roemer an diesem Morgen übergeben. Die Anspannung und Unruhe ist sehr groß. Zwei Stunden täglich dauert die Wiedereingliederung in den ersten Wochen. Nach einem halben Jahr macht die Gemeinde wieder Druck. Annegret Roemer soll die alleinige Leitung der Kindertagesstätte endgültig aufgeben (ZDF).

Mobbing: Neuer Begriff für ein altes Übel - Anmerkungen des Autors

Stand: 14.10.03 21:46, (c) ZDF www.koerle.net